Bauen bedeutet immer auch Weiterbildung. Man setzt sich intensiv mit dem eigenen Betrieb und dessen Möglichkeiten auseinander, sucht nach der besten Lösung, verhandelt mit Banken, Ämter und Baugeschäften. Wenn diese Phase abgeschlossen ist und der Bau beginnt, wird's richtig schwierig, dann kommen nämlich die Handwerker ins Spiel und die reden alle eine ganz eigene Sprache. 

Die schwierigste aller Sprachen ist Zimmermännisch. Mein Mann scheint diese Sprache irgendwann gelernt zu haben, ganz im Gegensatz zu mir. Er gibt sich immer grosse Mühe, mich in die Planung mit einzubeziehen und zitiert mich fast täglich auf die Bühne, um mir eine kleine Planänderung zu erklären. Ich stehe da und versuche den Sätzen, gespickt mit Fachausdrücken, zu folgen. Keine andere Berufsgattung kann so lange Sätze bilden ohne ein einziges verständliches Wort zu verwenden. Da ist die Rede von Binder und Binderlaschen, Sparenpfätte, Kähle, Obergurt,Stütze, Bock und Statik... Ich versteh' nur Hölzli… Das heisst, ein Wort habe ich gelernt: Abbinden. Das hat nämlich Chlöisu die letzten paar Wochen in der Zimmerei mitgeholfen. Das Bauholz wird genau nach Plan auf die richtige Länge und Schräge zugeschnitten und die nötigen Löcher und Aussparrungen gemacht. Eben abgebunden. Logisch oder? Nun gut, ich glaube zimmermännisch lerne ich wohl nicht. Ich nehme aber an, dass es den Handwerker sowiso lieber ist, wenn ich mich um das Kochen kümmere, anstatt auf der Baustelle rum zu lümmeln. Aber jetzt sind sie noch nicht da, Grund genug mir das Gebälk noch mal genauer anzusehen. Es gibt nämlich eingangs Trub ein Haus, das dem Unseren sehr ähnlich sieht. Nur der hintere Teil ist kleiner und die Dachneigung etwas flacher abfallend. Ich vermute aber, dass unser Haus wesentlich früher abbrannte, so um 1860 und um 1904-1911 ein Anbau stattfand. Das würde die angesetzte First und die unlogischen Aussparrungen an den alten Balken und die unterschiedliche Machart der Hölzer erklären! Auch die Einfahrt zur Bühne wurde zu dieser Zeit wohl verbreitert und das Dach teilweise neu gedeckt und etwas vergrössert. Ich stelle mir vor, dass der damalige Bauer äusserst Fortschrittlich war, nur so kann man sich die für diese Zeit riesige Einfahrt erklären. Leider verunfallte der Bauer kurz darauf 1912 tödlich und ein Jahr später verstarb auch seine Frau. Die noch sehr kleinen Kinder wuchsen in der Folge bei Gotte und Götti in der Nachbarschaft auf. 20 Jahre wurde der Hof von Pächtern bewirtschaftet, bis der zurückgebliebene Bauerssohn 1932 mit seiner jungen Frau wieder zurückkehren konnte. Ist es nicht erstaunlich, wie gut die Schweiz diesbezüglich schon vor 100 Jahren funktioniert hat?

So, genug der alten Zeiten! Die Dachdecker sind gerade an der Arbeit und decken das halbe Haus ab.